Aleyna

Was geschieht, wenn ein Vater seiner kranken Tochter eine Niere spendet? Und was bedeutet das für die Mutter und Ehefrau und für eine Familie? Wie sieht ein ganz normaler Alltag aus und wovon träumt die Familie? All das erzählt uns die Mutter von Aleyna in einem berührenden Gespräch.

Beim Betreten des Hauses wirkt alles ganz normal, die beiden Schwestern haben es sich auf dem Sofa gemütlich gemacht und plaudern zusammen, manchmal ein neugieriger aufgeweckter Blick in unsere Richtung. Erst auf den zweiten Blick wird deutlich, dass hier vieles anders ist. 

Die bald 5-jährige Aleyna ist ein fröhliches und aufgeschlossenes Mädchen. Trotz den Schwierigkeiten, die ihre gesundheitlichen Probleme mit sich bringen, strahlt sie eine grosse Lebensfreude aus. Zusammen mit ihren Eltern und den zwei älteren Schwestern wohnt sie in einem idyllischen, kleinen Dorf. 

Doch von Geburt an ist klar, dass medizinische Eingriffe notwendig sein werden, um ihre Gesundheit und Lebensqualität zu sichern. Jede Operation bringt neue Hoffnung, aber auch Ängste und Sorgen für die Familie mit sich. Doch es sind nicht nur diese grossen Herausforderungen, die die Familie begleiten. Da kommen ganz alltägliche Wünsche, wie z.B. Zeit zum Duschen zu haben, ohne sich zu sorgen, wie es der Tochter geht, oder auch den Wunsch, dass die älteste Schwester von Aleyna mit ihren 12 Jahren nicht so viel mitarbeiten müsste.

Wenn ein Kind viel Zeit im Spital verbringen muss, bedeutet das oft eine enorme Belastung für die Eltern und Geschwister. Frau A. erzählt, dass sie oft nicht wusste, wie sie alles schaffen solle. „Mein Kind liegt im Spital und braucht mich dort – aber zu Hause warten auch meine anderen Kinder, die mich genauso brauchen“. Ihr Mann musste während dieser Zeit der Arbeit nachgehen, um den Lebensunterhalt für die Familie zu sichern.  

Bis heute bleibt oft keine Zeit für Selbstfürsorge, da die Mutter immer funktionieren muss. Aleyna braucht täglich viel pflegerische Unterstützung, muss mehrmals katheterisiert werden, viele verschiedene Medikamente einnehmen und erhält zusätzlich die Ernährung über eine Sonde. Dennoch strahlt die Mutter eine Zuversicht und Lebensbejahung aus, die uns berührt.  

Im vergangenen Jahr erhielt Aleyna eine Nierenspende von ihrem Papa.  Eine Situation, die sich kaum beschreiben lässt, wenn die Sorge gleichzeitig der Tochter und dem Ehemann gilt. Seit der Nierentransplantation hat die Kleine immer wieder mit Blaseninfektionen zu kämpfen. Um diese Infektion effektiv zu behandeln, benötigt sie jeweils eine intravenöse Antibiotika-Therapie. Aleyna erhält jeweils über einen zentralen Venenkatheter 1x täglich eine Antibiotika-Kurzinfusion, welche über einen Zeitraum von fast zwei Wochen verabreicht wird. Wir als Kinderspitex sorgen dafür, dass die Infusionen fachgerecht durchgeführt werden und Aleyna dabei bestmöglich betreut wird. Es ist wichtig, dass sie in dieser Zeit auch emotional unterstützt wird, damit sie sich wohlfühlt und die Behandlung so angenehm wie möglich verläuft. 

Aleyna zeigt immer wieder ihren starken Willen, sich dem Leben zu stellen und das hilft den Eltern sehr. Denn auch nebst der tagtäglichen Pflege und den Sorgen bleiben auch viele administrative Arbeiten zu bewältigen. Anträge müssen gestellt werden, Papiere und Formulare ausgefüllt und immer wieder braucht es einen grossen Aufwand, um zu erfahren, was der Familie zusteht. So verzichtet die Mutter Zuhause auch bewusst darauf, allzu viel in sozialen Medien zu sein oder darüber zu lesen, was noch alles auf sie zukommen könnte. Sie versucht bewusst, den Raum zu gestalten und dafür zu sorgen, dass es Zuhause schön und normal ist, dass hier nicht die Krankheit und all die Sorgen vorherrschen, sondern ein ganz normaler Familienalltag, Kinderlachen und Kindergestürm, wenn es um ein Pack Chips geht. Und das gelingt ihnen gut, die Atmosphäre ist entspannt und als eine Freundin an der Türe klingelt, verschwinden alle Mädels in ihr Zimmer zum Spielen. 

Seit Aleyna zeitweise in den Kindergarten gehen kann, ist auch dieser Austausch mit anderen Kindern da und sie geht sehr gerne. Auch dies ist ein kleiner Schritt in ein ganz normales Leben. Eine Herzoperation steht in naher Zukunft an. Die Ungewissheit und die Angst belasten die Familie, doch sie lassen sich nicht unterkriegen. Trotz allen Herausforderungen haben sie eine starke Bindung entwickelt und sind an den Schwierigkeiten gewachsen. Sie unterstützen sich gegenseitig, geben einander Kraft und geniessen bewusst die gemeinsame Zeit, die sie miteinander verbringen. Denn sie haben erfahren und erfahren es täglich von neuem, dass nichts selbstverständlich ist. Und trotz der Angst und Ungewissheit sind da auch die Träume. Von gemeinsamen Familienferien – unbeschwert – und einem Alltag, der einfach nur die normalen Familien-Alltagssorgen mit sich bringt. Etwas Zeit zu zweit für die Eltern – Zeit auch für die Geschwisterkinder – und dass die nächste Operation gut verläuft – all das haben sie trotz all der schwierigen Schritte, die sie schon gegangen sind, nicht aufgegeben. Mit grossem Respekt und Hochachtung verabschieden wir uns von dieser Familie und bedanken uns für das Gespräch mit der Mutter, die trotz der ganzen Last, die sie auf ihren Schultern trägt, zuversichtlich bleibt und uns alle damit berührt. 
 

Text: Judith Schwenter/Regula Buder