Daria

Daria zeigt uns den Weg – unsere Aufgabe als Eltern ist es, sie darin zu begleiten
Daria kommt mit kranken Nieren zur Welt, welche ihr kurz nach der Geburt entfernt werden. Ohne die tägliche Dialyse könnte das Mädchen nicht überleben. Sie wird so lange darauf angewiesen sein, bis sie für eine Nierentransplantation gross genug ist. Es ist ein langer Weg, auf dem die Familie unterwegs ist, und die Kinderspitex wird sie auf einer Teilstrecke mitbegleiten.
Daria und ihre Eltern lernen wir Ende August im Kinderspital Zürich kennen. Das kleine Mädchen und seine Familie haben zu diesem Zeitpunkt schon vieles erlebt und mussten zahlreiche Hürden bewältigen.
Die Mutter erzählt, dass Daria schwer krank sei, dies hätten sie bereits in der Schwangerschaft erfahren. Es folgten schwere Zeiten, aber Daria hätte uns als Eltern bereits damals signalisiert, dass sie leben wolle. Für uns sei immer klar gewesen, unser Kind würde uns den Weg zeigen - und wenn Daria kämpfen wolle, dann würden wir sie dabei begleiten.
Die Mutter berichtet rückblickend: «Der Sommer ist nur so vorbeigerauscht. Nach Darias Geburt pendelten wir zwischen Spital und zu Hause hin und her und versuchten, allem gerecht zu werden. Denn zu Hause wartete der 10-jährige Bruder. Bereits mit ihm lernten wir den Spitalalltag kennen, unser Sohn ist mit einem schweren Herzfehler zur Welt gekommen. Ihm geht es heute gut und so haben wir als Eltern Vertrauen in die Hightech- Medizin, die auch unsere Tochter am Leben hält.»
Das kleine Mädchen ist auf eine tägliche Bauchfelldialyse angewiesen. Bevor sie nach Hause darf, braucht es eine intensive Schulung der Eltern. Und auch von Seiten Kinderspitex braucht es umfangreiche Abklärungen und eine Schulung, damit alle Pflegefachpersonen auf dem neusten Stand im Umgang mit dem komplexen Gerät sind. Denn ein Austritt wie der von Daria ist auch für uns keine Alltagssituation.
Die Eltern äussern, Angst vor dem zu Hause sein, hätten sie nicht - aber Respekt, und sie sind dankbar für die professionelle Unterstützung und Pflege von der Kinderspitex. Und so freuten sich alle, als Daria Ende September, nach 11 Wochen Spital, endlich nach Hause durfte.
Den Eltern ist es wichtig, dass das ganze Team um Daria gut zusammenarbeitet. Dies spüren wir alle ab dem ersten Tag vor Ort. Es ist ein Hand in Hand arbeiten, die Eltern sind dankbar für unsere professionellen Einschätzungen und Tipps, und wir wiederum können von der Routine der Mutter profitieren, die nicht nur ihre Tochter, sondern auch das Dialyse-Gerät bereits in und auswendig kennt.
Die Eltern betonen, dass eine gute Kommunikation von allen Beteiligten helfe, um die täglichen Herausforderungen zu meistern. Und diese blieben nicht aus. Kaum hat sich der Alltag eingespielt, hing Darias Leben erneut am seidenen Faden. Es folgte ein 4-wöchiger Spitalaufenthalt, der von zahlreichen Höhen und Tiefen geprägt war. Doch wie so oft zeigte Daria, wie stark sie ist und dass sie den Willen zum Leben hat. Nach dem zweiten Spitalaufenthalt folgte kurze Zeit später noch ein dritter. Auch diesen meisterte Daria vorbildlich und so stellte sich kurz vor Weihnachten endlich etwas Normalität ein und Daria durfte mit ihrer Familie ihr erstes Weihnachtsfest geniessen.
Weiterhin wird die Familie durch die Pflegefachpersonen der Kinderspitex begleitet, welche der Mutter die nötige Unterstützung im Alltag geben können. Denn jeden Tag aufs Neue braucht Daria die Dialyse, die einen grossen mehrstündigen Aufwand mit sich bringt.
Nur mit diesem Miteinander können wir einen hohen Qualitätsstandard ermöglichen, was uns sehr wichtig ist. Nicht nur zum Wohle des Kindes, sondern auch in unserer Verantwortung als öffentliche Kinderspitex-Organisation mit einem Versorgungsauftrag.
Als Qualitätsbeauftragte im Betrieb bin ich unter anderem verantwortlich für die Qualitätssicherung. Daher ist es mir wichtig, im Alltag auch regelmässig bei den Familien vor Ort zu sein. Nur so weiss ich, dass die geleistete Qualität nicht nur auf dem Papier stimmt, sondern auch im Alltag vor Ort. So leiste ich auch selber regelmässig Einsätze und führe Bedarfsabklärungen durch. Ich tue dies mit grosser Freude, da es mir ein wichtiges Anliegen ist, Familien mit ihren kranken Kindern zu unterstützen. Bei Daria sind wir von der Qualität und Pflegeentwicklung in der direkten Zusammenarbeit mit der Fallverantwortlichen aktiv an der Schulung und dem Einrichten der ganzen Apparate und benötigten Materialien für die Dialyse beteiligt. Dies ist gerade bei einer so hochtechnischen medizinischen Pflege sehr wichtig, damit wir die bestmögliche Pflege für Daria garantieren können. Die Pflegenden im Alltag werden durch die Qualitätsbeauftragte unterstützt, die nicht nur vor Ort, sondern auch für Fragen ansprechbar ist. Der regelmässige Einsatz in der Pflege gewährleistet, dass Pflegequalität eine gelebte Grundhaltung von uns als Betrieb ist und bleibt.
Während unseres Gesprächs mit der Mutter schneit es leise draussen. Daria ist zufrieden in ihrer Wippe und ihr Bruder kommt mit einem Schwall kalter Luft von draussen in die warme Stube. Es ist alles aufgeräumt und wunderbar weihnachtlich dekoriert. Das ist der Mutter wichtig und man spürt die angenehme Atmosphäre und Ruhe. Doch das ist nicht immer so und die Mutter weiss das zu gut. Und sie erzählt davon, wie schwierig es ist, wenn man zwischen den Bedürfnissen der Kinder hin und her springt, keine Zeit bleibt für einfach Mutter sein, alles liegen bleibt und dies von einer andauernden Sorge um das Kind überschattet wird. Und auch wenn heute alles vorweihnachtlich glänzt, spricht die Mutter von Daria auch über die schwierigen Momente, wenn es wieder zu einem notfallmässigen Zwischenfall kommt, der Daria zwischen Leben und Tod schweben lässt, wenn sich Menschen aus dem Bekanntenkreis zurückziehen, vielleicht, weil sie überfordert sind, oder einfach, wenn kaum noch Zeit bleibt als Eltern und Paar. Doch genauso wird die Kraft und Stärke sichtbar, mit der die Mutter ihre Rolle wahrnimmt, als Mami, als Expertin, was die Pflege ihrer Tochter angeht, als Managerin nicht nur des Haushaltes sondern auch der ganzen Bestellungen für die Dialyse zuhause und all dem, was eine solche Pflege bedingt. Sie denkt auch daran, irgendwann wieder ihrer Berufstätigkeit nach zu gehen, doch nun steht zuerst ein ganz gewöhnlicher Familienalltag an. Und so macht sich die Mutter mit den Kindern fertig, um raus zu gehen in den Schnee, in die vorweihnachtliche Stimmung in der Stadt, sie gehen irgendwo Mittagessen, ein ganz gewöhnlicher Alltag eben. Und nichts von aussen deutet darauf hin, dass das zufriedene Mädchen im Kinderwagen jeden Tag an der Dialyse ist und ihr Leben auch heute noch immer von einer grossen Verletzlichkeit begleitet ist. Die Mutter äussert einmal mehr, wie wichtig es ihnen als Eltern sei, dass sie Daria ihren Weg gehen liessen, dass sie keine Angst hätten aber dennoch Respekt, dass sie optimistisch und im Vertrauen blieben. Im Vertrauen darum, dass ihnen Daria den Weg zeigen wird, wie sie das von Anfang an getan habe, und «der da oben die Hand darüber halten würde», merkt die Mutter an. Unaufgeregt und dennoch aus tiefster Überzeugung kommen diese Worte. Von einer Mutter, die mit ihren beiden Kindern erlebt hat, dass wir nicht alles selbst in der Hand haben und eine Krise auch immer eine Chance sein kann. Dass die Herausforderung der Krise aber immer etwas bleibt, welche die Familie tragen muss – jeden Tag; 24 Stunden. Und dass nichts selbstverständlich ist und die Familie dabei nicht alleine ist.
Beim Verabschieden tollt der Bruder von Daria mit ihr im Arm auf dem Bett, das Handy gezückt in einem Videoanruf – die Kinder wirken fröhlich und das Bild, das wohl am anderen Ende zu sehen ist, zeigt lebendige Geschwister und legt Zeugnis davon ab, dass es in all dem Schweren der Erkrankung auch diese fröhlichen, ausgelassenen Momente gibt, die hoffentlich nun immer mehr in der Familie Einzug halten dürfen.
Text: Sarah Näf, Qualitätsbeauftragte und Regula Buder im Gespräch mit der Mutter