Robin

Ein krankes Kind zu begleiten, ist für die Familie eine grosse Herausforderung. Dennoch wird diese irgendwann zum Alltag für die Eltern, denn es gibt für sie keinen anderen. Doch es kann auch für Pflegende der Kinderspitex heraus­fordernd sein.

Frau oder Herr Azboy: Auch wenn die Herausforderungen gross sind, erleben Sie trotzdem Highlights?
«Wenn wir mit Robin draussen sind und andere gleichaltrige Kinder sehen, beispielsweise auf dem Spielplatz, stimmt uns das traurig. Denn diese Kinder können selbstständig laufen, essen und sprechen. Doch auch Robin macht grosse Fortschritte, er versucht sich neuerdings überall hochzuziehen und zeigt eine schnelle Entwicklung. Dies bereitet uns grosse Freude.»

Können Sie sich vorstellen, die Pflege von Robin ohne die Kinderspitex zu leisten?
Wie sähe Ihr Leben dann aus?

«Die Kinderspitex bedeutet uns alles. Die Pflegenden sind für uns wie ein viertes Familienmitglied, neben Mama, Papa und Robin. Ohne Kinderspitex hätten wir grosse Schwierigkeiten unsere sozialen Kontakte zu pflegen. Wenn überhaupt, dann könnten wir nur Besuch bei uns zu Hause empfangen. Durch die Kinderspitex können wir auch mal weg von zu Hause und uns mit Freunden treffen, was für uns neben dem Alltag mit einem schwerkranken Kind ein wichtiger Ausgleich ist. Die Kinderspitex ermöglicht uns sozial zu sein und zu bleiben.»

Gibt es etwas, was sie eine Pflegefachfrau schon immer einmal fragen wollten?
«Oh ja, wie bringen Sie die Geduld und den Mut auf, immer wieder aufs Neue mit so kranken Kindern zu arbeiten? Noch dazu, wenn es nicht ihre eigenen sind?»

Frau von Ehrenberg: «Die Kinder selbst! Grundsätzlich denke ich, mag man den Beruf oder man mag ihn nicht. Am meisten aber machen sicherlich die Kinder aus. Jedes Mal, wenn wir neu starten, lernen wir ein neues Kind kennen und dürfen meistens miterleben, wie sich die Kinder entwickeln und grosse Fortschritte machen. Diese Erlebnisse geben Hoffnung in der nächsten Situation. Gerade Robin ist hier ein wunderschönes Beispiel. Als er nach Hause kam, konnte er nicht sitzen und essen, kaum trinken und sich ausdrücken. Nun – nur ein halbes Jahr später – kann er nicht nur sitzen, sondern sich fortbewegen, trinkt vorbildlich Wasser und beginnt immer mehr zu essen. Auch seine eigene Sprache entwickelt er mehr und mehr.

Durch das Heimsetting und das Arbeiten in der Familie können wir der Einzigartigkeit jedes Kindes mehr gerecht werden. Das Kind wird in seinem familiären Umfeld, in seiner Einzigartigkeit gefördert und die Individualität der Familie wird erhalten, da die Familie räumlich nicht getrennt wird wie beispielsweise während eines Spitalaufenthalts. Für uns von der Kinderspitex bringt das immer wieder einmal Herausforderungen - pflegerische wie auch allgemeine vom ganzen Setting her, die sich aber noch immer auf irgendeine Weise lösen lassen. Kreativität und Flexibilität sind dann gefragt.

Wie bereits gesagt, erleben wir auch immer wieder Höhepunkte. Dies sind Momente, in welchen sich ein Kind plötzlich vom Bauch auf den Rücken drehen kann oder erste Schritte frei geht oder die Gebärden nachahmt und einsetzt. Momente, wenn wir Entwicklung sehen. Ganz besonders ist sicherlich der Moment, wenn ein Kind sich so gut entwickelt hat, dass es nicht mehr auf unsere Pflege angewiesen ist. Zudem habe ich in der Kinderspitex durch all die Kinder gelernt, dass vieles nicht selbstverständlich ist. Beispielsweise gehört ein Zoobesuch nicht einfach ganz normal zum Leben jeder Familie dazu, sondern dass dies etwas ganz Besonderes und Einzigartiges sein kann. Dann, wenn trotz Krankheit, oft mit vielen Apparaturen verbunden, solch ein Ausflug möglich wird. Dieses Bewusstsein gibt mir persönlich Dankbarkeit und lässt mich immer mal wieder innehalten und mir bewusstwerden, dass das alles, was ich bisher einfach als selbstverständlich erachtet habe, möglicherweise gar nicht so selbstverständlich ist.

Und so zeigt sich, auch wenn wir als Pflegefachpersonen während der Einsatzzeiten versuchen, den Eltern mit unserem Wissen und unserer Erfahrung zur Seite zu stehen, auch wir viel aus dem, was wir in den Familien erleben, lernen können. »

Gespräch und Text: Sarah von Ehrenberg